2020 schockte Google die Werbebranche, als das Unternehmen ankündigte, ab 2022 keine Third Party Cookies mehr in Chrome zu unterstützen. Ab dann sollten Werbetreibende, Publisher und Co. auf Alternativlösungen setzen. Ein Jahr darauf wurde eine Verschiebung der Deadline auf Ende 2023 angekündigt. Vinay Goel, ehemals Privacy Engineering Director bei Google Chrome, erklärte zu der Zeit:

Insgesamt wurden bereits beträchtliche Fortschritte erzielt. Allerdings ist auch klar geworden, dass im gesamten Ökosystem mehr Zeit benötigt wird, bis alles richtig läuft.

Dann folgten weitere Verschiebungen, im Frühjahr dieses Jahres dann die auf 2025. Doch inzwischen ist klar: Das Support-Ende für Third Party Cookies bleibt schließlich doch aus.

Überraschende Wende:

Google blockiert Third Party Cookies doch nicht

© pixelshot, Billion Photos via Canva

Diese Meldung kam wie ein neuer Schock für die Branche, dürfte aber angesichts der jahrelangen Unsicherheit bei Advertisern, Prüfinstitutionen und Google selbst nicht völlig überraschen. Google – kürzlich von einem US-Bundesrichter sowohl als beste Suchmaschine als auch als Monopol im Search-Markt eingestuft – möchte User bewusste Entscheidungen über das Tracking treffen lassen und gibt die Verantwortung quasi weiter. Für Advertiser heißt das: Die Suche nach Alternativlösungen ist nicht vorbei; denn ein datenschutzzentrierter Werbeansatz ist wichtiger denn je. Und vielleicht ändert sich im Rahmen der US-Prozesse gegen Google sogar bald etwas Grundlegendes am Werbegeschäft im Search-Bereich. Anders Pilgaard Andersen, SVP und General Counsel bei Adform, meint:

Wir bei Adform begrüßen es, dass das US-Justizministerium den Wettbewerbsprozess gegen Google in Bezug auf den Suchmaschinenmarkt gewonnen hat, indem es festgestellt hat, dass Google seine Monopolstellung missbraucht hat. Wir können nicht sagen, dass uns diese Entscheidung überrascht, da das in der Branche wohlbekannt ist. Es wird nun sehr interessant sein zu sehen, welche Maßnahmen der Richter in diesem Fall gegen Google verhängt und natürlich wie Google darauf reagiert. Darüber hinaus sind wir in der Adtech-Branche auch sehr gespannt auf den Prozess, der noch in diesem Jahr in Texas stattfinden wird, wo mehrere US-Bundesstaaten Google wegen des Missbrauchs seiner Größe in der Adtech-Branche verklagt haben, und wir hoffen, dass die klagenden US-Bundesstaaten auch hier als Sieger hervorgehen werden.

Versagen, Aufatmen, Konsequenzen: So reagieren Branchenteilnehmer:innen auf Googles Entscheidung zu Third Party Cookies

Das Datenschutz- und Analytics-Unternehmen Piwik PRO zeigt sich von Googles Rückzug vom Support-Ende für Third Party Cookies wenig begeistert. Sogar von einem Versagen ist die Rede:

Mit der Entscheidung, Third Party Cookies in Chrome nun doch nicht standardmäßig zu blockieren, versagt Google in unseren Augen als digitaler Marktführer. Sie unterstreicht die Unfähigkeit des Konzerns, die einst vollmundigen Versprechen der Privacy Sandbox einzulösen. Es ist nicht so, als ob es bei Google keine Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre gäbe. Das Problem ist vielmehr, dass der Konzern nicht in der Lage ist, das richtige Gleichgewicht zwischen Datenschutzaktivitäten auf der einen Seite und seiner dominanten Stellung im Werbegeschäft auf der anderen Seite zu finden. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die digitalen Marketingaktivitäten von Unternehmen weltweit, da Google derzeit noch der führende Anbieter von digitalen Marketing- und Werbelösungen ist. Cookies und insbesondere Cookies von Drittanbietern sind die Sündenböcke der digitalen Welt, die für alle Datenschutzverletzungen verantwortlich gemacht werden.

Die Abschaffung von Third Party Cookies bleibt daher ein wichtiger Punkt auf der Agenda von Unternehmen wie Apple. Allerdings können Cookies durchaus so eingesetzt werden, dass sie mit Datenschutzgesetzen wie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar sind. Dies räumt auch Google in seiner Erklärung mehr oder weniger ein. Außerdem können Cookies nachverfolgt werden, so dass es relativ einfach ist, zu überprüfen, ob eine Website sie gesetzeskonform verwendet. Einige Tracking-Technologien sind deutlich besser versteckt. Server-seitiges Tracking bietet beispielsweise eine bessere Kontrolle über die Datenerfassung, kann aber bei unsachgemäßer Verwendung auch Werbeblocker umgehen. Die Entscheidung von Google wird erwartungsgemäß von der digitalen Werbeindustrie begrüßt.

Wir von Piwik PRO sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Investition in First-Party-Daten die zukunftssicherste Strategie für Unternehmen ist. Unabhängig davon, wie sich die Branche entwickelt, werden wir uns weiterhin für die Entwicklung von Tools einsetzen, die nicht nur effektiv, sondern auch verantwortungsbewusst sind, indem sie die Privatsphäre der Nutzer schützen und gleichzeitig wertvolle Erkenntnisse liefern.

Auf neue Lösungen setzt auch Teads. Geschäftsführer Christian Zimmer geht gar von einer cookielosen Zukunft aus, auch wenn Google sich selbst als maßgebende Größe zunächst zurückgezogen hat.

Auch wenn die Ankündigung von Google zu den Third Party Cookies medial große Wellen geschlagen hat: Aus unserer Sicht ändert das nichts daran, dass die Entwicklung langfristig auf eine Zukunft ohne Cookies hinauslaufen wird.  Bei Teads haben wir deshalb proaktiv Lösungen für cookiefreie Umgebungen entwickelt. Damit machen wir uns und unsere Kunden völlig unabhängig von Googles Entscheidungen. Bereits heute liefern wir über 80 Prozent der Kampagnen cookieless aus; so können Werbetreibenden auch in Umgebungen wie Safari und Firefox skalieren sowie ihre Reichweite erhöhen. Gleichzeitig haben die Publisher eine größere Chance, ihre Inhalte zu monetarisieren.

Für Joachim Stalph, Managing Partner bei elaboratum, kommt die Entscheidung zur weiteren Unterstützung der Third Party Cookies indes einer Erleichterung für die Branche gleich. Dennoch sieht er Nachholbedarf im Retargeting-Kontext und in Bezug auf innovative Lösungen.

Die Entscheidung von Google, Third Party Cookies beizubehalten, ist ein Aufatmen für die Werbebranche. Sie ermöglicht es werbetreibenden Unternehmen, weiterhin gezielt und zielgruppenspezifisch potenzielle Kunden anzusprechen. Die Beibehaltung der Cookies, zumindest die ca. 50 Prozent durch den Chrome-Marktanteil, könnte somit wirtschaftliche Stabilität und Wachstum in der Werbebranche fördern. Gleichzeitig birgt diese Entscheidung jedoch die Gefahr, aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt zu haben und diese zu wiederholen.

Es ist entscheidend, dass Google und andere Akteure der Branche Lösungen finden, die den Datenschutz respektieren und gleichzeitig die Bedürfnisse der Werbewirtschaft berücksichtigen. Es wäre falsch, die Privatsphäre der Nutzer zu ignorieren oder zu vernachlässigen und damit erneut eine Informations- und Reizüberflutung zuzulassen: Der Retargeting-Fluch als Segen getarnt. 

Es ist aber definitiv nun die Chance für alle Marktteilnehmer, die Zeit zu nutzen, um nachhaltige, innovative und datenschutzfreundliche Lösungen zu entwickeln. So kann die gesamte Industrie ihre wirtschaftlichen Interessen wahren und gleichzeitig das Vertrauen der Kunden stärken.

Marco Dohmen, Country Manager DACH bei Triplelift, ist der Meinung, dass mit Googles Entscheidung Konsequenzen einhergehen, auch wenn der Status quo nicht wesentlich verändert ist.

Die Entscheidung von Google, Drittanbieter-Cookies in seinem Web Browser Chrome nun doch nicht standardmäßig zu blockieren, hat Konsequenzen für die Adtech-Branche. Google beugt sich damit dem Druck von Werbebranche und Regulierern. Zukünftig sollen die Nutzer die Wahl haben, Cookies blockieren zu können. Allerdings sollte man diese Ankündigung im Verhältnis zum Markt sehen. Denn de facto machen Chrome und Third Party Cookies nur etwa 40 Prozent des Traffics in Deutschland aus. Während die restlichen No-Cookie-Reichweiten und Audiences bereits durch andere Technologien wie Triplelift Audiences (TLA) besser qualifiziert werden, bleibt die Notwendigkeit für Innovationen in der Adtech-Branche bestehen. Unternehmen sollten sich jedoch nicht auf den Status quo verlassen, selbst wenn Google dem Druck der Werbebranche und Regulierer nachgegeben hat. Anpassungsfähigkeit und kontinuierliche Weiterentwicklung bleiben entscheidend, um in diesem sich ständig wandelnden Markt erfolgreich zu sein.

Shafqat Islam, CMO bei Optimizely, sieht das Testing von Alternativen weiterhin als wichtige Folge an.

Die Entscheidung von Google, Third Party Cookies beizubehalten, wird die Branche grundlegend verändern. Auch vor dem Hintergrund, dass 95 Prozent der deutschen Führungskräfte in einer Umfrage zugegeben haben, schlecht auf eine Zukunft ohne Third Party Cookies vorbereitet zu sein. Aber selbst wenn Cookies vorerst erhalten bleiben, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass es noch viel zu tun gibt. In Erwartung ihrer möglichen Abschaffung haben sich viele Unternehmen bereits mit dem Gedanken angefreundet, sich auf die Daten von Drittanbietern zu verlassen: Sie sind auf jeden Fall spezifischer und genauer, lassen sich leichter mit der DSGVO in Einklang bringen und führen zu einem besseren Kundenerlebnis. Gleichzeitig sollten wir es uns nicht zu einfach machen und weiterhin Alternativen testen. Nur so behalten wir die nötige Flexibilität, um uns an zukünftige Entwicklungen anzupassen.

Unsicherheit für viele und Win-win für andere

Der emetriq-Geschäftsführer Stephan Jäckel führt an, dass schon heute viele Werbeinteraktionen ohne Cookies von Dritten auskommen.

Über 50 Prozent der Werbeinteraktionen finden bereits ohne Drittanbieter-Cookies statt. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Der Druck von Regulierungsbehörden und Aktivisten gegen 1:1 Micro Profiling wird weiterwachsen, wodurch akzeptable Zustimmungsraten schwerer zu erreichen sind. Aufgrund dieser Entwicklungen ist die Adressierbarkeit mit Third Party Cookies aktuell auf etwa 30 Prozent gesunken.

Die Entwicklungen zeigen, dass Lösungen wie zum Beispiel Utiq für First-Party-Daten weiterhin sinnvoll sind. Google will eine Neuerung in Chrome einführen, die den Nutzern eine informierte Wahl ermöglicht. Dies führt zu mehr Kontrolle durch Google und ähnelt der Situation mit Apple auf iOS. Mit der Multi-ID-Technologie sind wir weiterhin gut vorbereitet Targetings mit den verschiedenen Werbe-IDs für den Markt anzubieten. Mit Contextual Targeting bieten wir eine Ergänzung in unserem Produktportfolio – so sind und bleiben wir fit für die Zukunft.

Doch trotz des Vorhandenseins alternativer Lösungen und Werbeansätze bleiben für das Ökosystem der Werbenden Fragen offen. Das betont auch der BVDW (Bundesverband Digitale Wirtschaft).

Googles Entscheidung, auch wenn diese sehr spät erfolgte, gibt Klarheit zum Verbleib der Cookies und sorgt gleichzeitig für mehr Unsicherheit in der Digitalen Wirtschaft. Diese Entscheidung beruht am Ende aber auf einem intensiven Dialog mit dem Ökosystem, den wir als Verband immer gefordert und gefördert haben. Zahlreiche Akteure haben über die vergangenen Jahre viel in den Umbau investiert – möglicherweise umsonst. Gleichzeitig sind in dieser Zeit nachhaltige Lösungen entstanden, die außerhalb von Cookies bereits erfolgreich arbeiten. Inwieweit der neu eingeschlagene Weg zu mehr Akzeptanz und Klarheit führt, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Verloren gegangenes Vertrauen ist deshalb durch ein transparenteres Miteinander zurückzugewinnen. 

Wir sehen die Notwendigkeit, den Dialog fortzusetzen und zu intensivieren, um zukünftige Unsicherheiten auf ein Minimum zu beschränken. Teil dessen sollte sein, keine weiteren Barrieren durch rechtlich nicht gebotene Vorgaben aufzubauen oder rechtliche Vorgaben gar zu unterminieren.  Im Mittelpunkt stehen für uns als BVDW immer die Chancen für Nutzer*innen und das gesamte Ökosystem. Dafür braucht es kurzfristig verlässliche Informationen zur Ausgestaltung und ein klar definierten Zeithorizont mit Meilensteinen. 

Während der BVDW auf den fortgesetzten Dialog hofft, sieht sich Kipp Bodnar, CMO von HubSpot, durch Googles Entscheidung eher ernüchtert. Er sieht darin die Chance, sich von Dritten so weit wie möglich unabhängig zu machen und noch mehr auf Ansätze mit First-Party-Daten zu bauen.

Die neuesten Nachrichten über Third Party Cookies bedeuten letztlich eine Win-win-Situation für Werbetreibende auf der einen sowie Nutzerinnen und Nutzer auf der anderen Seite. Rückblickend waren die letzten Jahre für Marketer nicht leicht, denn all die Zeit, in der sie auf eine Abschaffung von Third Party Cookies zusteuerten, mussten Marketer stets flexibel bleiben, um sich auf den großen Tag vorzubereiten. Klar ist jetzt aber: Sich auf Dritte zu verlassen, reicht nicht mehr aus. Unternehmen brauchen die Kontrolle über ihre First-Party-Daten, um ein umfassendes Verständnis ihrer Kundschaft zu erhalten, insbesondere angesichts des von den heutigen Nutzerinnen und Nutzern erwarteten Maßes an Personalisierung.

Die Aussagen dieser Branchenteilnehmer:innen sind oft auf die individuellen Bedürfnisse und Angebote zugeschnitten und stellen einen Querschnitt aus der Digitalwelt dar. Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Was du ergänzen würdest, kannst du gern in die Kommentare schreiben.

Informationen rund um die Measurement-Möglichkeiten bei Google findest du in unserem dedizierten Beitrag. Er stammt aus einer Zeit vor Googles Verkündung, bietet aber noch heute einige relevante Insights.

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Dr. Reemda Tieben von Google über Measurement und Möglichkeiten 2024

© Hayri Er, Google via Canva

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