Wenn es um den freien Zugriff auf Daten und die Analyse derselben ging, konnten Start-ups und KMU von fairen Wettbewerbsbedingungen jahrelang nur träumen: Die großen Gatekeeper wie Google oder Amazon ließen andere Unternehmen ihre Marktmacht spüren. Gleiche Bedingungen für alle? Wohl kaum. Ungehinderter Datenzugang? Nicht für die Kleinen.
Doch das ist nun vorbei: Die Gatekeeper müssen jetzt Zugang zu Daten, die auf ihren Plattformen erhoben oder von diesen erzeugt werden, gewähren. Sie stehen zudem in der Pflicht, unlautere oder wettbewerbswidrige Praktiken zu unterlassen. Das sogenannte Self-Preferencing, also die höhere Einstufung der eigenen Dienste und Angebote im Vergleich zu denen der Wettbewerber, ist also tabu.
Für Startups und KMU bieten sich plötzlich neue Möglichkeiten zur Monetarisierung – und sie stellen sich Fragen: Welche Strategien sind gefragt? Welche Schritte sollten sie jetzt gehen? Wo liegen die Ansatzpunkte?
Um das Potenzial des DMA voll auszuschöpfen, sind Unternehmen gut beraten, sich mit den folgenden vier Themen zu beschäftigen.
Transparenz als Vertrauensbasis
Es klingt vielleicht banal, ist aber trotzdem wichtig: Transparenz gegenüber den Nutzer:innen in Bezug auf Datenverarbeitungspraktiken, Datenschutzrichtlinien und Einwilligungsmethoden ist für Startups und KMU, aber natürlich grundsätzlich für alle Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um Vertrauen zu gewinnen und zu erhalten.
Ein Beispiel: Du hast mit deinem Startup im Gesundheitssektor eine App zur Überwachung von Patient:innendaten entwickelt. Wichtig ist, dass du eine klare und verständliche Datenschutzerklärung bereitstellst. Nutzer:innen erfahren in dieser Erklärung genau, welche Daten gesammelt werden, wie sie verwendet werden und wie lange sie gespeichert bleiben. Darüber hinaus solltest du eine Einwilligungslösung implementieren, die leicht zu bedienen ist und es den Nutzer:innen ermöglicht, ihre Datenschutzeinstellungen einfach anzupassen.
Außerdem: Die Transparenz sollte nicht auf die Daten und den Umgang mit ihnen beschränkt sein. Um Vertrauen zu schaffen, sollten Preise und Kosten, die im Zusammenhang mit der Nutzung entstehen, klar erkennbar sein. Geschäftspraktiken und Grundsätze des Startups sollten kein Geheimnis bleiben. Gibt es bereits Kund:innenrezensionen und Erfahrungsberichte? Zeige diese, auch wenn sie nicht durchweg positiv sind, und zeige auch, wie du dich mit diesen auseinandersetzt. Gibt es für deine App verschiedene Preiskategorien? Biete den Nutzer:innen die Möglichkeit, kostenpflichtige Kategorien für einen bestimmten Zeitraum zu testen, damit sie sichergehen können, dass das jeweilige Angebot zu ihnen passt. Eine Geld-zurück-Garantie bei Nichtgefallen rundet dein Angebot ab.
Geschäftsmodelle, die auf Zusammenarbeit basieren
Partnerschaften mit anderen Unternehmen bieten die Möglichkeit, die Summe potenzieller Kund:innen zu vergrößern, das Produkt- und Service-Angebot zu erweitern und Umsatzströme zu diversifizieren. Für Startups und KMU, die auf Kooperationen setzen, ist die Vereinbarung zur Datenweitergabe und gemeinsamen Nutzung von Daten ein wichtiger Aspekt.
Ein Beispiel: Du hast dich mit einem KMU auf Smart-Home-Technologien spezialisiert und kooperierst mit einem Herstellungsunternehmen für Haushaltsgeräte. Durch die gemeinsame Nutzung von Daten kannst du die Nutzungsmuster der Verbraucher:innen besser verstehen und die Produkte entsprechend anpassen. In einer Kooperationsvereinbarung solltest du im Vorfeld geregelt haben, welche Daten geteilt werden, wie sie geschützt werden und wie die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden.
Außerdem: Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, mit anderen Startups oder etablierten Unternehmen Kooperationen zu schließen, um gemeinsame Angebote zu erarbeiten oder Cross-Promotion zu betreiben. Ist es eine gute Idee, strategische Allianzen zu bilden oder mit Branchen-Influencern zu kooperieren? Das hängt von den jeweiligen Gegebenheiten ab und muss individuell geprüft werden.
Das Potenzial datenbasierter Erkenntnisse
Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) unterstreicht die Bedeutung von Datenzugang und Portabilität, um gleiche Wettbewerbsbedingungen auch für kleinere Akteur:innen zu schaffen. Die Nutzung von Analytics-Insights aus Nutzer:innendaten kann Startups und KMU dabei helfen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, da sie fundiertere Entscheidungen treffen können. Haben sie einen besseren Einblick in Nutzer:innenverhalten, Präferenzen und Trends, können sie ihre Angebote anpassen, die Customer Experience verbessern und in der Folge die Conversion Rates steigern.
Ein Beispiel: Du bist mit deinem E-Commerce Startup im Bereich des Online-Einzelhandels tätig. Mithilfe von Daten kannst du die Browsing-Muster und -Häufigkeit von Kund:innen sowie die jeweiligen Kaufhistorien analysieren, um personalisierte Empfehlungen und gezielte Werbeaktionen anbieten zu können. Auf Basis deiner datenbasierten Erkenntnisse kannst du deine Cross-Selling-Möglichkeiten erweitern und somit die Grundlage für mehr Umsatz legen.
Außerdem: Die Erfassung und Analyse der Kund:innendaten hilft dir, die Bedürfnisse und das Verhalten deiner Kund:innen zu verstehen. Du kannst die Daten dazu nutzen, deine Angebote zu personalisieren und zu optimieren. Und nicht nur die Angebote: Auch Preise und Marketing-Strategien kannst und solltest du anpassen. Die Daten helfen dir auch, neue Umsatzströme oder Bereiche für geschäftliches Wachstum zu identifizieren. Was zudem eine Überlegung wert ist: Wie wäre es, wenn du deine Analytics Insights anderen als separate Dienstleistung anbietest, um deinen Umsatz zu erhöhen?
Agilität und Innovation
Mehr als größere Unternehmen müssen Startups und KMU stetig ihre Agilität und Innovationskraft unter Beweis stellen. Das Gesetz über digitale Märkte (DMA) fördert Innovationen durch die Stärkung der Interoperabilität und trägt dazu bei, einen fairen Zugang zu wichtigen digitalen Plattformen und Diensten zu gewährleisten. Startups und KMU sollten die Gelegenheit nutzen, verstärkt neue Technologien zu erproben, neue Geschäftsmodelle auszuprobieren und Markttrends frühzeitig zu erkennen.
Ein Beispiel: Du konzentrierst dich mit deinem Unternehmen auf nachhaltige Energielösungen. Ein sinnvoller Schritt wäre zum Beispiel die Entwicklung einer Plattform, die Echtzeitdaten über den Energieverbrauch von Haushalten sammelt. Mithilfe der Daten kannst du Verbrauchsmuster erkennen und Empfehlungen für Energieeinsparungen geben. Dadurch, dass du die Plattform ständig weiterentwickelst und neue Funktionen integrierst – zum Beispiel die Vorhersage des Eigenverbrauchs anhand von Wetterdaten – kannst du deine Marktposition stärken und in der Folge neue Kund:innen gewinnen.
Außerdem: Es ist unerlässlich, dass du Markttrends und die Entwicklung der Kundenbedürfnisse kontinuierlich beobachtest. So schaffst du dir selbst die Möglichkeit, neue Monetarisierungsmöglichkeiten zu identifizieren. Probiere zudem verschiedene Preismodelle für dein Angebot aus: Lohnt sich für manche Kund:innen das Abo-Modell? Kannst du eine Freemium-Option anbieten, um potenzielle Kund:innen auf dich aufmerksam zu machen? Beachte des Weiteren das Feedback deiner Kund:innen. Was sind ihre Kritikpunkte zu deinen Produkten oder Dienstleistungen? Betrachte diese als Basis für Aktualisierungen und Verbesserungen, wobei du der Treiber deiner Strategie bleibst. Nicht zuletzt: Investiere in Forschung und Entwicklung, um neue Features und Angebote zu prüfen. Achte darauf, dass du diese testest, um das Potenzial dieser Entwicklungen zu erkennen.
Fazit
Der Wettbewerb von Unternehmen wird sich durch den Digital Markets Act entscheidend verändern. Die Zeit der absoluten Marktdominanz der großen Gatekeeper ist vorbei; sie dürfen kleineren Unternehmen den Zugang zu wichtigen Daten nicht mehr beschränken. Startups und KMU haben jetzt die Aufgabe, ihre neue Positionierung auch für sich zu nutzen. Die Bearbeitung der genannten vier Themen ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer besseren Monetarisierung.
Fristende des Digital Markets Act:
Riesenänderungen bei Apple, WhatsApp und Co.
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