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Als selbstständiger Social Media Berater im B2B-Umfeld unterstützt Peter Mestel seit über zehn Jahren Teams bei den Themen Strategie, Konzeption und Coaching. Zudem ist er Speaker, Instagram-Experte bei OMR Education und bezeichnet sich selbst als Nerd, Ideengeber und geduldiger Erklärer.

Peter Mestel

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Auch im Jahr 2023 sind sich viele Unternehmen nicht bewusst, welche Auswirkungen Social Media auf die Kernbereiche eines Unternehmens hat. Sie unterschätzen systematisch das Potenzial von Social-Media-Kommunikation – aber auch die Rolle von dem/der Social Media Manager*in. So manche Geschäftsleitung ist regelrecht „überrascht“, wenn sie feststellt, welch immense Reichweiten über Social Media zum Teil erzeugt werden.

Manche sind regelrecht geschockt, wenn sie feststellen, dass der/die Social Media Manager*in tatsächlich mit „echten“ Kundinnen und Kunden spricht und via Social Media mit Branchenverbänden, Pressevertreter*innen, Influencer*innen, potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern und nicht zuletzt den tatsächlichen Anwender*innen des eigenen Produkts interagiert.

Wie kann das sein und welche Verantwortung kommt Social Media Manager*innen dabei zu? Hat man als Social Media Manager*in vielleicht viel mehr Macht im Unternehmen als gedacht? Und wie können Unternehmen dieses Potenzial nutzen, um ihr Social Media Marketing effizienter zu gestalten? Darüber haben wir uns mit Peter Mestel unterhalten, der als freier Social-Media-Berater mit Schwerpunkt auf B2B- und Industrieunternehmen bereits Erfahrung mit der Fragestellung sammeln konnte.

Inwieweit ist der/die Social Media Manager*in die wichtigste Person im Unternehmen (oder wird immer mehr dazu)?

Peter: Gute Social Media Manager*innen können für ein Unternehmen mehr Reichweite erzeugen, als man im Unternehmen denkt – oft auch mehr als klassische Öffentlichkeitsarbeit. Für die Außenwahrnehmung eines Unternehmens ist eine fähiger Social Media Manager*in mindestens genauso wichtig wie ein CEO auf Fachveranstaltungen. Bei einem CEO wird die Wirkung mittels Autorität erzielt, bei dem/ der Social Media Manager*in mittels Frequenz.

Im Vertrieb werden Social-Media-Aktivitäten häufig gar nicht wahrgenommen, obwohl eigentlich nur dort die vermeintlich „weichen“ Faktoren eines Produktes kommuniziert werden, die auch in großen Projekten häufig entscheidend für den Verkauf sind. Im Servicebereich sind Social Media Manager*innen diejenigen, die die niedrigschwelligsten Rückkanäle betreuen. Die Nachrichten-Funktionen der Plattformen sind das Backup, wenn die Kommunikation von Service und/ oder Vertrieb versagt hat.

Im Umkehrschluss heißt das: Social Media ist ein vertikaler Kommunikationskanal quer durch die zentralen Bereiche eines Unternehmens: Vertrieb, Service und Produkt – also deutlich mehr als nur Kommunikation nach außen. Ein*e fitte*r Social Media Manager*in mit ausreichend Ressourcen hat somit einen viel größeren Hebel in ganz vielen Bereichen eines Unternehmens, als die klassische Position im Organigramm erahnen lässt.

Angesichts dieses Ausmaßes und Potenzials ist es nahezu unverständlich, wie wenig Wertschätzung Social Media Manager*innen häufig erhalten und wie wenig ernsthaft viele Unternehmen das Thema angehen. Anstatt Social Media nur als Cost Center zu betrachten, sollte man es zum Profit Center machen! Wenn ich meine Social-Media-Leute fit mache und befähige, können diese direkt mehr Wertschöpfung generieren.

Hast du ein Beispiel dafür, wie das in der Praxis aussehen könnte?

Peter: Einer meiner Kunden ist ein Dienstleister für Print-on-demand-Produkte im Fotobereich. In der redaktionellen Planung spielen neben den klassischen Fotografie-Themen auch die Themen Datenübernahme, Colour Management und Druckdatenaufbereitung eine aktive Rolle. Durch gezielten Content können fotointeressierte Kundinnen und Kunden geschult und die Qualität der Druckdaten insgesamt verbessert werden. Das Social-Media-Team hat also einen direkten Hebel für die Effizienz der Produktion und erzielt damit einen messbaren Mehrwert fürs Unternehmen. Dieser Content ist gemessen an klassischen Metriken wie Reichweite und Engagement vielleicht nicht der erfolgreichste, erzielt aber eine direkte Wertschöpfung für das Unternehmen.

Neben dem/der Social Media Manager*in können ja auch Corporate Influencer bzw. Mitarbeitende, die selbst sehr aktiv in Social Media sind, einen riesigen Einfluss ausüben.

Peter: Das Thema Corporate Influencer ist gerade in aller Munde. Es ist aber auch eine ganz eigene Herausforderung für Unternehmen, bei der es gute und schlechte Beispiele gibt. Häufig ist der Begriff definiert über C-Level-Protagonist*innen großer B2B-Unternehmen, die sich auf LinkedIn sehr offiziell und ihrer Position angemessen äußern. Dabei ist jede*r Protagonist*in, der/die regelmäßig sein/ihr Gesicht auf TikTok oder Instagram zeigt, ein „Testimonial“ für das Unternehmen und prägt somit die Außenwahrnehmung. Wichtig ist zu verstehen, dass die Personen mit der größten Reichweite nicht immer die Personen sind, die offiziell von Unternehmen mit der Außendarstellung beauftragt worden sind.

Social Media Manager*in: Ein Beispiel

Einer meiner Kunden, ein deutsches Maschinenbau-Unternehmen, hat in Brasilien einen Vertriebsmitarbeiter, der 12.000 Follower auf LinkedIn hat und fast täglich Inhalte veröffentlicht. Er produziert in professionellem Maße Content und ist nicht nur auf verschiedenen Plattformen, sondern auch auf allen wichtigen Messen und Konferenzen in Südamerika sehr präsent, veröffentlicht Videos und ist per WhatsApp erreichbar. Vermutlich ist er der effizienteste Kommunikations-Mitarbeiter des gesamten Unternehmens. Da er jedoch völlig eigenständig agiert, ist er so manchen Kolleg*innen in Deutschland natürlich ein Dorn im Auge – insbesondere in der Geschäftsleitung und im klassischen Kommunikationsbereich. Gleichzeitig verkauft er viele Maschinen, hat große Reichweite und positioniert die Marke nachhaltig im regionalen Markt. Das Unternehmen würde sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn es versuchen würde, seine Aktivitäten zu kontrollieren.

Social Media mit Social Media zu beweisen, klappt selten

Warum werden die Auswirkungen von Social-Media-Kommunikation auf ein Unternehmen und die Funktion des Social Media Managers bzw. der Managerin denn immer noch unterschätzt?

Peter: Ein Problem jedes Social Media Managers und jeder -Managerin ist, dass man immer erst einmal erklären muss, was man da eigentlich tut. Ich erlebe es sehr oft, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch die klassischen Kommunikations-Leute altersmäßig aus einer vordigitalen Zeit kommen. Sie haben in ihrem Arbeitsleben noch eine Zeit erlebt, in der die Einführung von E-Mail die große Digitalisierungs-Revolution war. Die vielen großen Schritte in Richtung der heutigen Social-Media-Landschaft haben viele nicht mitgemacht bzw. mussten das auch nicht.

Wer als Social Media Manager*in Budgets und Möglichkeiten will, muss jedoch in der Lage sein zu kommunizieren, was man als Social Media Manager*in tut, was das Ziel ist und welchen Wert dies konkret für das Unternehmen hat. Der Social-Media-Bereich leidet zudem unter einem Attributions-Dilemma. Angenommen ein Schraubenhersteller schickt eine*n Vertriebsmitarbeiter*in los, dann geht jeder Termin, der einen Abschluss erzielt, auf das Konto dieser Person.

Hat der Schraubenhersteller jedoch einen Instagram-Kanal aufgebaut, wo er täglich hunderten Anwender*innen erklärt, was die Vorteile der eigenen Schrauben sind und warum die Verwendung genau dieses Produkts zum bestmöglichen Ergebnis führt, wird der/die Social Media Manager*in kaum die Abschlüsse „gutgeschrieben“ bekommen – selbst wenn sämtliche Handwerker-Teams täglich ihren Einkauf nerven, doch nur noch diese Schrauben zu kaufen. Das Dilemma lautet also: Haben Social-Media-Aktivitäten des Unternehmens überhaupt eine Wirkung?

Was müssten Social Media Manager*innen tun, um diese Frage zu beantworten?

Peter: Einfach mal aufhören mit Social Media! Quasi eine Nullmessung machen, in der man ausprobiert, ob es bei den Zugriffen auf die Website, den Leads für den Vertrieb oder in den Service-Anfragen eine messbare Veränderung gibt. So hat ein Automobilkonzern 2020 für einen begrenzten Zeitraum keine Werbung auf Meta-Plattformen geschaltet und wenig gepostet. In der Folge sind nicht nur die Social-Media-Reichweiten, sondern auch die Suchanfragen massiv eingebrochen. Die Kontaktpunkte zur Marke im täglichen Medienkonsum der Menschen fehlten einfach.

Wenn das Social-Media-Thema im Unternehmen noch nicht gut entwickelt ist – was häufig der Fall ist – lohnt sich alternativ die Fokussierung der Ressourcen auf ein Thema und zu testen, ob man dort einen messbaren Hebel hat, einen Mehrwert fürs Unternehmen zu erzielen. Solche Zusammenhänge herzustellen und mithilfe von Reporting und Kommunikation intern aufzuzeigen, worin die Wertschöpfung fürs Unternehmen besteht, ist die Aufgabe von Social Media Manager*innen.

Was viele Social Media Manager*innen dabei nicht berücksichtigen: Screenshots von guten Social-Media-Posts helfen nicht weiter. Social-Media-Sprache zu sprechen und Social Media mit Social Media zu beweisen, klappt selten. Denn wer Social Media nicht schätzt, wird solchen Argumenten auch keinen Wert beimessen

Eine Strategie aus der klassischen Werbung ist es, Social-Media-Aktivitäten mit einem Media Value zu belegen. Was habe ich organisch erreicht und was hätte mich die gleiche Sichtbarkeit als Anzeige gekostet? Der Media Value ist häufig ein guter Ansatzpunkt, die Wertschöpfung durch Sichtbarkeit mit einem monetären Wert belegen zu können. Reine Reichweite hat noch wenig Aussagekraft.

Social Media Manager*innen müssen Attributionsketten bilden

Wenn ich vermitteln kann, dass sich im letzten Jahr 300 Menschen das Produktdatenblatt heruntergeladen haben, weil es via Social Media kommuniziert wurde oder dass sich die Suchbegriffe für die Website oder die Zugriffe auf die Job-Seite verändert haben, dann ist der Beweis der Wirksamkeit erbracht. Social Media Manager*innen müssen Attributionsketten bilden und zeigen, welche Maßnahme sich worauf ausgewirkt hat.

Erklärungsbedarf, mangelnde Wertschätzung und die Frage der Attribution sind jedoch nicht die einzigen Ursachen, oder?

Peter: Social Media Manager*innen sitzen häufig im sprichwörtlichen „stillen Kämmerlein“ und arbeiten fleißig vor sich hin, um Inhalte zu erstellen. Man kommuniziert aber für das Unternehmen, das heißt, gute Inhalte entstehen dort, wo das Herz des Unternehmens schlägt – in der Produktentwicklung, in der Produktion und im Service und Vertrieb.

Die große Challenge dabei ist eine, die jede*r Kommunikator*in hat: Du benötigst informelle Netzwerke, um mit den richtigen Leuten zu sprechen und dabei sein zu können, wo es wirklich passiert. Wenn die Pressemitteilung zur neuen Maschine erscheint, ist es eigentlich schon zu spät. Der/ die Social Media Manager*in hätte schon Monate vorher dabei sein müssen – bei der Entwicklung, beim Test, bei der Produktion – um dann bereits die Inhalte vorproduzieren zu können, die später beim Launch helfen. Der/die Produktmanager*in muss zu dir kommen und sagen: „Nimm dein Handy mit, hier passiert was!“.

Dieses Problem wird noch dadurch verstärkt, dass die Social Media Manager*innen oft relativ junge Kolleginnen und Kollegen sind, noch ohne Netzwerk und Standing im Unternehmen. Die Stellen sind im Unternehmensvergleich oft noch relativ neu. Es dauert aber Jahre, sich ein Netzwerk im Unternehmen aufzubauen und sich dieses informelle, undokumentierbare Wissen anzueignen.

Was rätst du Unternehmen und Social Media Manager*innen in dem Fall?

Peter: Unternehmen müssen mit dieser Situation aktiv umgehen. Es muss klar sein, dass eine Kommunikations- bzw. Social-Media-Abteilung bei bestimmten Themen der Produktentwicklung, bei Vertriebsoffensiven, der Planung von Messen usw. mit einbezogen wird.

Bei der Planung des Messestands sollte berücksichtigt werden, dass es einen Bereich gibt, wo Interviews mit Bild und Ton aufgenommen werden können – mit guter Ausleuchtung für die Kamera, einer Logo Wall und akustisch halbwegs abgeschirmt vom Trubel der Veranstaltung. In der Realität treffen die Social Media Manager*innen dann vor Ort auf einen lauten, vollen Messestand mit schlechtem Licht und müssen dann improvisieren. Die Inhalte, die in so einer Situation entstehen, werden intern dann eben oft nicht als wertig wahrgenommen.

Quelle: Peter Mestel

Um Unternehmen all diese Punkte zu verdeutlichen, hast du ein „Social-Media-Reifegrad-modell“ entwickelt. Was sagt dieses Modell aus?

Peter: In einer Social-Media-Strategie halte ich es für grundlegend, den Aufwand für Social Media und den Impact, den diese Maßnahmen auf das Kerngeschäft des Unternehmens haben, in ein Verhältnis zu setzen. In meinem „Social-Media-Reifegrad-Modell“ gibt es vier Reife-Stufen von Social-Media-Aktivitäten: Präsenz, Spezifisch, Proaktiv und „Truly Social“. Die Stufe „Präsenz“ ist der typische Fall im B2B-Bereich: Man hält definierte Ressourcen für Social Media vor (Mitarbeiter*innen oder Dienstleister), hat aber vergleichsweise geringe Reichweite und das Follower-Wachstum der Kanäle bewegt sich positiv nahe der Null. Das Problem hier: Der Aufwand ist bereits relativ hoch, es gibt aber keine messbare Entwicklung.

Eine gut ausgearbeitete Social-Media-Strategie muss die Frage beantworten, wo man in zwei bis drei Jahren stehen will. Das bedeutet typischerweise eine Investition in den Bereich Social Media, schafft aber gleichzeitig die Möglichkeit einer Wertschöpfung für das Unternehmen. Dabei muss man beachten: Nur wenige Marken haben das Potenzial, „Truly Social“ zu werden, also Social Media als Kanal der Kundenkommunikation für alle Bereiche zu nutzen. Die Erfahrung aus vielen Projekten zeigt: Der „proaktive“ Umgang mit dem Thema Social Media und digitale Kommunikation aller Unternehmensbereiche ist aufwendig, trägt aber dauerhaft zum Unternehmenserfolg bei.

Was wäre deiner Ansicht nach der Idealzustand? Was sollten Unternehmen deiner Meinung nach tun, um einen besseren „Social-Media-Reifegrad“ zu erreichen?

Peter: Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Mit Bezug auf die Social Media Manager*innen in den Unternehmen habe ich einen Appell an alle CMOs, Pressesprecher*innen und wer für diese Teams verantwortlich ist: Lasst eure Social Media Manager*innen ein Praktikum in der Fertigung machen, lasst sie eine Woche beim Vertrieb mitfahren oder steckt sie für ein paar Tage zu den Azubis in die Ausbildung! Stattet sie mit angemessenen Ressourcen wie Hard- und Software aus und ermöglicht ihnen, zu kommunizieren und nicht nur zu verwalten.

Die reine, „verwaltete“ Präsenz, losgelöst vom restlichen Business, kostet Unternehmen am meisten Ressourcen und generiert den geringsten Mehrwert! Hoher Aufwand, Unzufriedenheit und Reibungsverluste bei geringem Impact und geringer Wertschöpfung – das gilt es zu vermeiden. Unternehmen sollten Social Media vielmehr bei allem, was sie tun, bereits mitdenken. Die Content-Generierung muss aus dem Daily Business heraus erfolgen.

Dabei ist es aber nicht ausreichend, eine Stelle für eine Fotografin oder einen Videographen zu schaffen, die dann ausschließlich eigenen „Corporate Stock“ produzieren, also Inhalte, die aussehen, als wären sie irgendwo eingekauft, nachgestellt mit eigenen Protagonist*innen.

Quelle Screenshot: Redaktion

Die Content-Generierung muss aus dem Daily Business heraus erfolgen

Man braucht vielmehr „Social Media Storyteller“ mit Zugang zu allen Bereichen im Unternehmen, die laufend gezielt Inhalte produzieren oder Mitarbeiter*innen aktiv dabei begleiten können. Die „tanzenden Pfleger*innen“ des Klinikums Dortmund auf TikTok waren wahrscheinlich die stärkste Kommunikation für den Bereich Pflege jemals!

Was bedeutet das für die Content-Produktion bzw. die Arbeit von Social Media Manager*innen? (Brauche ich einfach nur tanzende Kolleginnen und Kollegen?)

Peter: Nicht zwingend. Wenn ich eine Hochleistungs-Druckmaschine herstelle, die 3.000 Bögen Papier pro Minute durchzieht, brauche ich mit dem Smartphone nur draufzuhalten und es ist beeindruckend. Ich könnte einen ganzen Instagram-Kanal ausschließlich mit Druckzylinder-Videos bespielen, die nur mit einem aktuellen Smartphone aus der richtigen Perspektive gefilmt werden. Die Zielgruppe der Druckmaschinen-Anwender*innen und sämtliche Maschinenbauer würden sich diese Videos anschauen und hätten einen nachhaltigen Eindruck meiner Marke bekommen.

Schaut euch auch mal den Account von @geaviation an, der Triebwerkssparte von GE. Dieser besteht nur aus den neuesten, größten und dicksten Flugzeug-Triebwerken – quasi „Triebwerks-Porn“ vom Feinsten. Wird dadurch ein Triebwerk mehr verkauft? Sehr wahrscheinlich nicht, aber wird GE damit als Marke positiv aufgeladen und ergibt sich daraus ein Mehrwert im Bezug auf HR und Unternehmenswert? Definitiv ja! Die große Chance liegt dabei im richtigen Mix: Unterhaltsame Inhalte sorgen für die Reichweite, gutes Storytelling sorgt für die nötige Tiefe und stärkt die Marke, tiefergehende Inhalte wirken nachhaltig in die aufgebauten Communities.

Wenn Unternehmen „Social“ von Anfang an mitdenken, müssen sie auch die visuelle Content- Produktion ins laufende Business mit integrieren, oder?

Peter: Absolut! Dabei gilt die Grundregel: Dokumentieren ist immer einfacher als Kreieren. Es gibt ein gutes Beispiel aus dem Logistik-Bereich: Immer, wenn ein großes Containerschiff einer bestimmten Reederei in einen Hafen einläuft, wird ein Lotse mit einem Hubschrauber auf das Schiff geflogen.

Social Media als Content-Lieferant für die restliche Kommunikation

Die Aufgabe des Social-Media-Teams ist es also, ein Netzwerk von Content Creators an den wichtigsten (und schönsten) Häfen der Welt aufzubauen und im Lotsen-Hubschrauber regelmäßig einen Platz für diese Menschen zu reservieren. Diese Creator-Teams müssen natürlich geschult werden, wie man sich auf so einem Schiff bewegt, und ein Briefing erhalten, welche Aufnahmen gebraucht werden. Dann wird Social Media – der Bereich mit dem größten Content-Bedarf – zum Lieferanten für die restliche Kommunikation, die ebenfalls mit den entstandenen Assets bespielt werden kann. Es entsteht ein endloser Pool an Content, aus dem man im Unternehmen schöpfen kann.

Was bedeutet das alles für die Personalauswahl, die Kompetenzen und die tägliche Arbeit von Social Media Manager*innen?

Peter: Für Unternehmen bedeutet das, dass sie Social Media Manager*innen mehr ins Unternehmen bringen und stärker in das eigentliche Geschäft integrieren müssen. Es bedeutet, Social Media Manager*innen in den Unternehmensabläufen zu schulen und dazu zu bringen, informelles Wissen und Netzwerke aufzubauen. Im Grunde müsste jede*r Social Media Manager*in erst einmal ein Betriebspraktikum machen, um alle Abläufe kennenzulernen und genau zu wissen, was wo passiert. Dann kann er/sie anfangen zu dokumentieren, was im Unternehmen geschieht. Erst im nächsten Schritt wird das Material adaptiert und eine für die jeweiligen Plattformen angepasste Kommunikation erstellt.

Social Media Manager*innen sollten eigentlich Dokumentator*innen im Unternehmen sein?

Peter: Im Idealfall gibt es im Unternehmen eine/n Social Media Storyteller*in! Denn es ist immer einfacher, aus einer Dokumentations-Situation heraus zu arbeiten, als dass eine Abteilung oder Agentur aus sich selbst heraus Content überlegt, der aber gar nicht aus dem Unternehmen und dessen eigentlichem Geschäftsalltag kommt.

Eine andere Möglichkeit wäre ja der Aufruf an Mitarbeitende, sich als Corporate Influencer für die eigenen Kanäle zu bewerben.

Peter: Genau! Das ist eine gute Möglichkeit, sich als Social Media Manager*in interne Netzwerke aufzubauen. Im Bereich Tourismus haben Social Media Manager*innen in der Regel ein Netzwerk aus Tourismuspartner*innen, die sie kennen, und die sie regelmäßig mit Inhalten versorgen. Rückkanäle aufzubauen ist unglaublich wichtig! Dabei geht es nicht nur um die Contentproduktion an sich, sondern um ein Motiv, ein Thema oder einen Anlass. Das muss ich jedoch erst einmal wissen und mitbekommen, zum Beispiel der Moment, wenn die neue Maschine im Abendlicht auf einen Schwertransporter verladen wird, oder wenn die neuen Azubis ankommen.

Das setzt voraus, dass man sich von dem Gedanken löst, dass Social-Media-Content immer möglichst aufwendig und professionell produziert werden muss.

Peter: Unternehmen müssen sich davon verabschieden, Imagevideos auf Instagram oder TikTok posten zu wollen. Social-Media-Inhalte – egal ob Bewegtbild oder Fotos – müssen gezielt für die einzelnen Plattformen produziert werden und da herrscht bei Instagram oder TikTok nun mal eher „pretty-ugly“ als werblicher Hochglanz-Chic. Die Schwäche vieler Unternehmens-Accounts ist, dass die Inhalte zu „produziert“ wirken. Auch globale Unternehmens-Accounts sind tendenziell schwierig, da sie häufig dazu tendieren, die Illustration der Pressemitteilungen des Unternehmens zu sein.

Was rätst du stattdessen?

Peter: Unternehmen machen häufig den Fehler zu glauben, dass sich Menschen ernsthaft für ihr Unternehmen der ihre Marke interessieren und deshalb folgen. Sorry, aber das ist nicht der Fall. Menschen interessieren sich für Jobs oder für ein Thema. Man ist entweder als Arbeitgeber interessant oder weil man geile Maschinen baut – dann postet die aber auch! Die anderen Awareness-Ziele schwingen zwar auch noch mit, sind aber erst einmal zweitrangig. In erster Linie benötige ich Content, der die Leute interessiert. Daher ist es für Unternehmen manchmal auch einfacher, mehrere Accounts zu haben.

Ein monothematischer Account läuft meist viel besser, denn hier wird Content direkt für die Zielgruppe geschaffen. Im Idealfall wird dein Profil zu einem Rabbit Hole, in das Nutzer*innen eintauchen, weil sie nicht nur einen, sondern gern zehn Beiträge zu einem Thema sehen wollen. Nur ein Thema zu behandeln, das aber in einer hohen Frequenz und richtig gut, kommt auch dem Algorithmus mehr entgegen. Auf ein besonderes Thema ausgerichtete Accounts können daher für ein Unternehmen von Vorteil sein.

Was kann ein Unternehmen bzw. eine Social Media Manager*in jetzt tun, um das eigene Social Media Management zu verbessern?

Peter: Als Social Media Manager*in hat man immer die Aufgabe, intern zu schulen. Ihr müsst den Leuten klarmachen, dass das, was ihr tut, eine Auswirkung auf ihre Arbeit hat und auch wertvoll für das Unternehmen ist. Dazu gehört auch, zunächst ein Bewusstsein für das Thema Social Media und die Arbeit eures Bereichs zu schaffen.

Zudem solltet ihr genau aufzeigen, was eure Kommunikation im Unternehmen bewirkt hat – Stichwort Attribution. Als nächstes solltet ihr daran arbeiten, Zugang zum Kerngeschäft des Unternehmens zu bekommen und ein Teil davon zu werden.

Danach heißt es: partizipieren und dokumentieren! Wichtig dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht jede Contentproduktion gleich zu einem Post führt. Wichtig ist erst einmal, zu dokumentieren und zu produzieren, d. h. sammeln, verschlagworten und einen Pool an wiederverwertbarem Rohmaterial aufbauen. Ausgehend von dieser Basis entsteht die eigentliche Social-Media-Kommunikation erst im zweiten Schritt.

Das, was eigentlich benötigt wird, ist demnach gar nicht (nur) eine Social Media Manager*in, sondern eher eine interne Redaktion?

Peter: Siemens Healthineers suchte im vergangenen Jahr einen „Social Media Storyteller“, eine super spannende Idee! Im Grunde läuft es darauf hinaus: Anstelle von „Manager*innen“ von Social-Media-Kanälen benötigen Unternehmen jemanden, der/ die Geschichten und Anlässe identifiziert, eine Kamera bedienen und die Stories sinnvoll auf den gewünschten Kanälen wiedergeben kann.

Eventuell wären auch getrennte Funktionen sinnvoll: Eine Person, die gut vernetzt und immer im Unternehmen unterwegs ist, um Motive, Anlässe und Geschichten zu identifizieren und Videos und Bilder zu produzieren, und eine weitere Person im Hintergrund, die aus dem Material den eigentlichen Content plant und kreiert. Man benötigt eine gute vernetzte Storyteller– oder Redaktionsfunktion einerseits und die Content-Produktion bzw. das Management der Kanäle andererseits.

Siemens Halthineers sucht im vergagenen Jahr „Social Media Storyteller“
Quelle: https://siemens.talentify.io/job/social-media-storyteller-wmd-muenchen-bayern-siemens-299427

Das bedeutet aber auch, dass im Idealfall alles inhouse gemanagt werden sollte, oder?

Peter: Die momentan häufig praktizierte Trennung, bei der externe Agenturen die kreative Leistung und die Contentproduktion übernehmen und das Social Media Management intern geschieht, halte ich nicht mehr für sinnvoll. Aus den genannten Gründen glaube ich, dass sich die Content Creation künftig ins Unternehmen verlagern wird, während wiederkehrende Management-Aufgaben eher nach extern verlagert werden.

Darauf sind wir gespannt und bedanken uns für das spannende Gespräch!

Das Interview führte Susi Maier.

Dieser Artikel ist zuerst im SocialHub Mag #20/2023 erschienen. Das ganze Magazin mit
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The post Social Media Manager*in als wichtigste Person im Unternehmen? first appeared on SocialHub Blog.

Der Beitrag Social Media Manager*in als wichtigste Person im Unternehmen? erschien zuerst auf SocialHub Blog.

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