Die Social-Media-Welt ist schnelllebig und ständig im Wandel. Als Social Media Professionals müssen wir ständig dranbleiben und uns immer wieder mit neuen Features, Formaten und Trends beschäftigen. Das ist zunächst einmal nichts Neues. Doch seit dem letzten Jahr verändert sich unsere Social-Media-Welt besonders auffällig und grundlegend. Diese Veränderungen betreffen vor allem die Art und Weise, wie wir die sozialen Medien nutzen, uns untereinander vernetzen und kommunizieren. Es scheint, als würde der Social-Media-Geist der Zehnerjahre von etwas Neuem abgelöst, das sich erst in Ansätzen zeigt. Der Social Media Watchblog spricht diesbezüglich von einem „Vibe Shift“. Vielleicht spürst du ihn auch, diesen neuen Vibe (im Guten wie im Schlechten), und bist gerade dabei, dich mit deinem Unternehmen daran anzupassen? Dann bietet dir unsere Zusammenfassung vielleicht Orientierung.
DAS VIDEO- ZEITALTER IST ENDLICH DA
2016 sprach Mark Zuckerberg von einem „golden age of video“, das jedoch trotz wachsender Beliebtheit noch ein ganzes Weilchen auf sich warten ließ. Schon seit Jahren wird es propagiert, doch so richtig im Video-Zeitalter angekommen sind wir im Grunde erst jetzt. Nun ist es endlich da – und, Spoiler: Es geht auch nicht mehr weg.
Den Durchbruch brachten Kurzvideos im vertikalen, bildschirmfüllenden 16:9-Format in Form von Stories, Reels und TikToks. Während Videos früher als eher fortgeschrittene, aufwendige Art von Content galten, für die man spezielle Skills und Ausrüstung benötigte, sind die heutigen Social-Media-Videos mithilfe eines Smartphones und intuitiv zu bedienender Apps vergleichsweise schnell und einfach zu erstellen – und zwar für jede*n und ohne spezielle Vorkenntnisse.
Befeuert wird das Ganze vom beeindruckenden Aufstieg von TikTok in die Oberliga der Social-Media-Plattformen und der darauffolgenden „TikTokisierung“ von Instagram mit seinem Fokus auf Reels – ein durchaus ambivalentes Thema, das uns das ganze Jahr 2022 begleitet hat. Auch die anderen Plattformen wie Pinterest oder YouTube mit seinen Shorts pushen das Thema Video immer stärker, weshalb sich Content Creators und Unternehmen spätestens jetzt damit auseinandersetzen und ins „Video-Game“ einsteigen müssen. Doch das ist noch gar nicht der wichtigste Punkt: Die vielleicht grundlegendste Veränderung seit Langem ist eine andere. Sie hängt mit der Art und Weise zusammen, wie unsere Newsfeeds künftig generiert werden.
ABSCHIED VOM SOCIAL GRAPH
Lange Zeit prägten persönliche Verbindungen unsere Newsfeeds. Unser persönliches Netzwerk aus Accounts, denen wir folgen, sowie Freunden, Bekannten und Familie bestimmte, welche Inhalte wir zu sehen bekamen – der sogenannte Social Graph. Dann kam TikTok mit seinem „For you“-Feed, eine Content-Plattform, die einem komplett anderen Prinzip folgt. Auf TikTok bestimmen nicht die Accounts, denen man folgt, welche Inhalte man zu sehen bekommt, sondern Künstliche Intelligenz. Ein beeindruckend guter Algorithmus berechnet aufgrund der angesehenen Videos und
AI-KURATIERTE CONTENT- EMPFEHLUNGEN WERDEN KÜNFTIG IM NEWSFEED IMMER STÄRKER INTEGRIERT SEIN
Aktivitäten, welche Inhalte besonders interessant für dich sind und dir künftig angezeigt werden. Wer seinen Tik-Tok-Algorithmus eine Zeit lang „trainiert“ hat, weiß, dass dieses Prinzip ziemlich gut funktioniert – auch völlig unabhängig von Followings. Der Interest Graph führt zu einem radikal auf die persönlichen Interessen abgestimmten Feed. Die eigenen digitalen Verbindungen auf der Plattform sind hier deutlich weniger relevant, als es derzeit bei Facebook und Instagram der Fall ist. Noch. Denn auch Meta stellt das bewährte Prinzip des Social Graph auf den Kopf – einer der größten Strategiewechsel, den es seit Langem bei Facebook und Instagram gegeben hat
DER KI- KURATIERTE FEED
Künftig soll der Feed stärker mit Inhalten bespielt werden, die man nicht abonniert hat, sondern die der Algorithmus auf Basis von Nutzungsdaten als relevant und interessant für die jeweiligen Nutzer*innen erachtet. Inhalte von Freunden werden somit weniger relevant, dafür werden wir im Feed viel mehr Content-Empfehlungen von Accounts erhalten, mit denen wir nicht verbunden sind.
Schon jetzt werden auf Facebook und Instagram Inhalte empfohlen, doch dies geschieht z. B. über den separaten „Explore“-Tab. Künftig werden AI-kuratierte Content-Empfehlungen jedoch immer stärker in unseren Newsfeed integriert werden, wo sie mit Inhalten von Freunden und abonnierten Accounts konkurrieren werden. Dies bietet natürlich auch Chancen für Unternehmen, mit ihren Inhalten in mehr Feeds präsent zu sein und neue Menschen zu erreichen, die ihnen nicht bereits folgen.
„In the future, I think that people will increasingly turn to AI-based Discovery Engines to entertain them, teach them things, and connect them with people who share their interests“, postete Mark Zuckerberg im April vergangenen Jahres. Das Ziel ist, dass diese Empfehlungen sich genauso gut (oder besser) anfühlen wie der bisherige „connected content“. Andererseits benötigt Meta auch immer mehr Content-Empfehlungen, denn immer weniger Menschen posten Inhalte. Wozu noch Essen, Katzen- oder Urlaubsbilder posten, wenn der Social Graph sowieso an Bedeutung verliert?
Entscheidend für die Qualität der Empfehlungen ist das Feedback der Nutzer*innen. TikTok erzwingt dieses Feedback quasi bereits durch den bildschirmfüllenden Feed, der kein einfaches Weiterscrollen erlaubt, sondern eine Reaktion in Form von Weiterwischen, Anschauen und/oder Interagieren erfordert. Auch Instagram experimentierte im vergangenen Jahr bekanntlich kurz mit dem Vollbild- Feed, sah sich jedoch aufgrund des User-Feedbacks zum Rückzug gezwungen. Inwiefern Meta seine Feed- Strategie weiterhin umsetzt, werden wir in Kürze beobachten können – an unserem eigenen Feed.
VOM SOCIAL NETWORKING ZUM REINEN CONTENT- KONSUM
Mit dem Wandel weg vom Social Graph hin zum Interest Graph schwächt sich auch die soziale Kom- ponente des Social Networking ab – die Plattformen werden weniger „social“. Ob Reels, TikToks oder YouTube Shorts – den Feed anschauen ist quasi das neue Fernsehen. Dementsprechend ist TikTok auch kein soziale Medium, sondern in erster Linie eine Plattform, die auf den reinen Content- Konsum ausgerichtet ist.
Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Instagram- und Facebook-Feeds dem Prinzip folgen. Indem Social-Media-Feeds zunehmend passiv konsumiert werden, treten auch die sozialen Interaktionen in den Hintergrund. (Wer schon einmal versucht hat, die Caption und Kommentare eines Reels in Ruhe zu lesen, die sich über dem sich bewegenden Video aufklappen, weiß, wie wenig einladend das ist). Immer weniger Interaktion und Austausch findet unter Posts statt – zum Leidwesen der Content Creators und vieler Unternehmen. Doch wo tauschen sich die Menschen stattdessen aus?
WO SOCIAL MEDIA NOCH „SOCIAL“ IST
Community ist nach wie vor wichtig, doch die Kommunikation von Privatpersonen verlagert sich in geschlossene Räume. Im Trend zu Messengern und privaten Online-Räumen spiegelt sich auch der Wunsch vieler Nutzer*innen nach privaten Profilen und authentischerer, nicht kuratierter Kommunikation. Folglich boomen Plattformen und Apps, die genau das ermöglichen.
Privates Messaging zwischen Personen und kleinen Gruppen findet in Messengern statt, laut aktueller ARD-ZDF- Onlinestudie hat sich WhatsApp hier als beliebtestes Tool etabliert. Diskutiert und kommentiert wird auch in kleinen Communities wie Facebook Gruppen oder auf Slack oder Discord. Diese geschlossenen oder halbprivaten Communities dienen dem interessensbasierten Austausch zu einem Thema und boomen derzeit.
Insbesondere die jüngere Generation trifft sich auch gerne auf Twitch oder beim gemeinsamen Spielen auf Roblox oder in Fortnite. Bei diesen sogenannten „Shared Experiences“ geht es darum, ein gemeinsames Erlebnis in einer Gruppe Gleichgesinnter zu haben – sei es in einem Spiel, einer Challenge, einem Streaming- oder Online-Event.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie überlegen sollten, wie sie eine Community rings um ein Thema aufbauen können. So könnte eine Facebook Gruppe zu einem bestimmten Thema eine Option sein, aber auch neuere Plattformen wie Discord bieten interessante Möglichkeiten (siehe dazu auch den Artikel in dieser Ausgabe).
Unternehmen sollten überlegen, inwiefern sie Messenger einsetzen und wie Content aussehen könnte, der zur Partizipation einlädt.
Wie könnte eine Shared Experience aussehen? Wer es als Unternehmen schafft, auf Augenhöhe zu kommunizieren und die Community zu pflegen, kann sich auch im Rahmen dieser Entwicklung weiterhin mit seiner Zielgruppe via Social Media austauschen.
Text: Susi Maier
Dieser Artikel ist zuerst im SocialHub Mag #20/2023 erschienen. Das ganze Magazin mit allen Artikeln kannst du hier kostenlos downloaden.
QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LINKS:
ttps://www.futurebiz.de/artikel/meta-content-empfehlungen/ (öffnet in neuem Tab)
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